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Im Baskenland

Begegnungen am »Camino del Norte«

Unsere Lagerplätze liegen mehrere Male direkt am »Camino del Norte«, einem Jakobsweg Richtung »Santiago de Compostela«. Das berühmte Pilgerziel liegt allerdings mehr als 500km entfernt und wir werden es diesmal auch nicht ansteuern. Das ist, wie bereits im letzten Blog kurz erwähnt, vielleicht einmal eine ganz eigene Reise. Dennoch wandern wir mehrmals entlang dieses Weges; mal Richtung Ziel, mal in die Gegenrichtung. An einem sonnigen Tag treffen wir »Guillaume«, einen vollbepackten, französischen Bauingenieur aus Paris. Er dürfte ungefähr in unserem Alter sein. Wir wandern ein paar Kilometer nebeneinander und unterhalten uns angeregt. Er habe das Pilgern erst während der Pandemie für sich entdeckt und genießt es, dabei schnell den Kopf von den Alltagsdingen freizubekommen. Einfach gehen und den gelben Schildern folgen. Das können wir sehr gut nachvollziehen. Schnell entsteht beim Gespräch eine gewisse Vertrautheit, die tiefer geht als der sonstige Smalltalk. Es gibt ja den Spruch: „wer pilgert, bleibt nicht lang alleine…“ – da ist wirklich etwas dran. Auf dem Campingplatz von San Sebastian kommen wir mit einem Ehepaar aus Öhringen/Baden-Württemberg ins Gespräch. Nora und Kunibert. Wir verstehen uns auf Anhieb gut und tauschen Reiseerlebnisse aus. Auch ein paar wertvolle Tipps für weitere Ziele sind dabei. Als sich herausstellt, dass Nora eine ausgebildete Geschichtenerzählerin ist, müssen wir schmunzeln. Tatsächlich bekommen wir gleich noch eine herzerwärmende, erzählerische Kostprobe. Phantastisch! Die beiden machen uns auch noch auf ein paar kulturelle Schmankerl in der Heimat aufmerksam: Dahin müsst ihr unbedingt mal fahren! Schließlich tauschen wir unsere Kontaktdaten und wer weiß: vielleicht sieht man sich einmal wieder…

Im »Baskenland«

Als wir vor einigen Wochen die spanische Grenze aus Frankreich kommend überschritten, landeten wir in der nach Unabhängigkeit strebenden Region »Katalonien«. Nun, am Ende der Rundreise über die iberische Halbinsel, erreichen wir den spanischen Teil des »Baskenlandes«. Eine Region mit ganz eigener, nicht ganz leicht zu durchschauender, politischer und kultureller Geschichte. Den Basken wird nachgesagt, sie seien eigenwillig und traditionsbewusst. Ah da schau her! Wo gibt´s denn sowas? Hier gibt es allerdings nicht nur einen starken Dialekt, sondern gleich eine ganz eigene Sprache, die es in sich hat. Angeblich soll sie mit dem Ungarischen oder dem Finnischen verwandt sein. So oder so – wir wissen jetzt wo J.R.R. Tolkien seine Inspiration für die »Orksprachen im Herrn der Ringe« bezogen hat: aus dem Baskenland! Man kann die Wörter kaum lesen und es gibt keinerlei Verwandtschaft zu irgendeiner Sprache, die uns geläufig ist. Herrlich! Die Ortsschilder und Beschriftungen sind so andersartig, dass wir sie immer wieder mit dem Handy abfotografieren.

»San Sebastian«

»San Sebastian« (baskisch: »Donostia«) ist die Provinzhauptstadt des spanischen Baskenlandes und nur ca. 20km von der französischen Grenze entfernt. Man rühmt die ehemalige Kulturhauptstadt Europas als »baskisches Nizza« und nennt sie auch Perle unter Spaniens Küstenstädten. Die Lage ist einzigartig. Vom hochgelegenen Campingplatz marschieren wir ein paar Kilometer hinunter und erreichen bald das Wahrzeichen der Stadt: die »Bahia della concha«, eine riesige, sichelförmig geschwungene Stadtbucht, auch Muschelbucht genannt. Dort lässt es sich wunderbar flanieren. Alles ist sehr gepflegt und der feine Sand lockt Badegäste und Touristen gleichermaßen an. Trotz moderner Züge hat sich die Stadt ihren charmanten Charakter als Seebad der Belle Époque bewahrt. Wir erreichen den »Plaza de la Constitución« und sehen schon die berühmten nummerierten Balkone. Einst wurden hier Stierkämpfe ausgetragen und man konnte die Balkone als Logen mieten. Sehenswert ist auch das Rathaus, das ursprünglich als Spielcasino eröffnet wurde. Wahrscheinlich gäbe es noch weit mehr zu erkunden, doch unser Interesse ist diesmal auf etwas ganz Spezielles gerichtet. Kurze Vorgeschichte:  wir haben beide vor einiger Zeit einen Krimi gelesen, dessen Hauptschauplatz in »San Sebastian« ist. Daher wissen wir, es gibt eine Besonderheit in dieser Stadt, die wir uns nicht entgehen lassen wollen: »Pintxas-Bars«. Pintxos (sprich: Pintschos) sind im Prinzip kleine Snacks, die in speziellen Bars zu einem Getränk verzehrt werden. Diese Leckereien werden vielfältig und überdies auch sehr appetitlich in eigenen Theken angerichtet. Nachdem die Auswahl so groß ist, besuchen wir insgesamt vier dieser Lokalitäten und probieren uns durch. Die Fastenzeit bekommt einfach mal eine wohlverdiente Pause. Was bekommen wir da eigentlich serviert? Als Unterlage dient für die meisten Pintxos eine Scheibe Weißbrot. Darauf werden dann die unterschiedlichsten Kombinationen von Zutaten geschichtet. Meist hält ein Holzstäbchen das jeweilige warme oder kalte Arrangement zusammen. Es gibt Beläge mit gebackenem Fisch oder Meeresfrüchten aller Art, deftigen Serrano-Schinken, Schnitzel, Spieße mit gegrillten Hähnchenflügeln, kleine Burger mit dunklem Brot, Gemüsevariationen aller Art usw. Unter den Bars soll es einen regelrechten Wettbewerb geben, wer die besten Pintxos hervorzaubern kann. Zweimal bekommen wir jeweils ein Blatt Papier, wo wir ankreuzen, was und wieviel wir davon möchten. Bis zu 50 verschiedene Brötchenvarianten liegen verführerisch aufgereiht in der Theke und sind alle durchnummeriert. Da fällt die Auswahl gar nicht so leicht. In den anderen Lokalen bekommen wir gleich einen Teller in die Hand gedrückt und zeigen dann auf die Produkte, die wir haben möchten. Auch eine sehr elegante Lösung. Dazu wird jeweils ein Achterl Wein oder ein Pfiff Bier konsumiert. So könnte es im Prinzip endlos weitergehen. Wer also mal in die Gegend kommt: unbedingt probieren! Für den Rückweg nehmen wir dann gerne den Linienbus.

Radtour nach »Bayonne«

Leider hat sich im spanischen Teil des Baskenlandes ein massives Tiefdruckgebiet ausgebreitet und so fahren wir weiter nördlich Richtung »Bordeaux« in Frankreich. Hier soll das Wetter für die nächsten Tage noch etwas beständiger sein. Wir überqueren also wieder eine Landesgrenze und kommen in den französischen Teil des Baskenlandes. Auch hier lesen wir wieder die merkwürdig klingenden Ortsnamen in der baskischen Sprache. Einen feinen Unterschied gibt es allerding schon: alles ist deutlich teurer! An der Atlantikküste ist alles für den »Surftourismus« ausgelegt. Es ist tatsächlich ein Paradies für Wellenreiter und Kitesurfer und eine Surfschule reiht sich an die nächste. Fasziniert beobachten wir immer wieder mal, wie diese Unerschrockenen bei stürmischem Wind und eiskaltem Wasser ihrer großen Leidenschaft nachgehen. Hut ab! An einem durchwachsenen Tag vertrauen wir der Wetter-App vom Handy und fahren mit dem Fahrrad in die 20km entfernte Stadt »Bayonne«. Es soll für einige Stunden trocken bleiben. Das erweist sich schnell als Fehldiagnose. Der April zeigt sich von seiner unbeständigsten Seite. Ein Regenguss folgt dem nächsten. Wir stellen uns mehrmals unter - mal in einem Bushäuschen - mal mit Regenschirm unter einem Baum - mal unter einem Vordach. In »Bayonne« kehren wir zudem zweimal ein und trotzen damit dem ärgsten Regen. Damit unsere Turnschuhe halbwegs trocken bleiben, kaufen wir kurzerhand Müllbeutel und stülpen sie uns über. Auf dem Heimweg verfahren wir uns dann noch und kommen übellaunig und ausgefroren beim VW-Bus an. Zum Glück haben wir ja eine Heizdecke und noch eine halbe Flasche Portwein. Die Stadt selber ist bestimmt recht schön – bei schönem Wetter. Grrh!

Das »Bassin d´Arcachon« und die »Dune du Pilat«

Wie bereits erwähnt lesen wir gerne Krimis. Ein Band desselben Autors (s. o.) handelt von den Austernzüchtern des »Bassin d´Arcachon«. Diese rund 155 Quadratkilometer große, beinahe dreieckige Bucht ist ein Naturparadies mit ausgeprägter Flora und Fauna. Die ausgedehnten Wattflächen werden von Prielen durchzogen und bieten Lebensraum für viele seltene Vogelarten. Heute gibt es noch fast 350 Austernfischer, deren Erzeugnisse in den Restaurants der umliegenden Ferienorte, aber auch weltweit als Delikatesse gelten. Es freut uns sehr, diese einmalige Gegend einmal mit eigenen Augen zu sehen. Entlang der Küste schaukeln bunte Fischerboote, an den Landungsstegen liegen zum Trocknen ausgelegte Reusen, Netze und uns unbekannte Gerätschaften für die Austernzucht. Die Fischer gehen routiniert ihre Arbeit nach. Überall kleine Restaurants, die ihre fangfrischen Austern zu einem Glas Wein anbieten. Frischer geht es wirklich nicht. Nur etwa 35km entfernt liegen die berühmten »Dune du Pilat«. Diesmal verzichten wir auf die Fahrräder und nehmen unser Auto. Auf dem Gelände angekommen, es ist besuchermäßig ziemlich ruhig, finden wir schnell den Weg hinauf auf diese gigantische, über 100 Meter hohe Sandformation, die sich parallel zum Meer erstreckt.  Bei acht Grad und schneidigem Wind erklimmen wir die Treppe und genießen den herrlichen Ausblick auf das Meer und die ganze Gegend. Ein Liebespaar bekommt ein Fotoshooting vor dieser atemberaubenden Kulisse. Andere Besucher laufen barfuß durch den Sand oder rutschen ein Stück auf dem Hosenboden hinunter Richtung Meer. Wunderbar!

Wieder zurück nach Hause…

Mehr als zwei Monate waren wir nun mit dem VW-Bus unterwegs und haben die Wintermonate Februar und März fast ausschließlich im Freien verbracht. Wir haben sehr viel erlebt, interessante Leute kennen gelernt und jede Menge Eindrücke gesammelt. Nun ist es an der Zeit, wieder zurück nach Hause zu fahren. Als wir mittags ins Auto steigen, hat es frische sieben Grad und die Wiesen sind saftig grün. Nach zwei Fahrstunden staunen wir nicht schlecht, als es im französischen »Massif central« plötzlich zu schneien beginnt. Die Temperatur sinkt auf minus drei Grad und aus dem Schneefall wird in den Bergen ein regelrechter Sturm. Schnell wird uns klar, dass an Camping nicht mehr zu denken ist. Wir buchen auf der Strecke ein Hotelzimmer und besuchen dafür unterwegs noch die sehenswerte Stadt »Colmar« im Elsass. Am dritten Tag kommen wir wohlbehalten und gesund zu Hause an und sind sehr dankbar…

Ach übrigens…

Auf unserer Reise durch Spanien und Portugal wurden wir von den Leuten oft unterschiedlich angesprochen. Martin wurde unterwegs selbstverständlich mit »Hola« oder »Bom Dia« begrüßt, was natürlich auch selbstsicher erwidert wurde. Claudia hingegen wurde häufig mit »Goeden Dag« oder »Goede Morgen« angesprochen. Seltsam - an was das wohl liegen mag???

»Limerick der Woche«

der Spanier blickt böse und kann es nicht fassen

er denkt, ich hätte nicht alle Tassen

im Schrank. Denn es ist gut, wenn Du weißt,

dass »Burro« hier Esel, nicht Butter heißt

auf Italienisch kannst´ Dich nicht wirklich verlassen

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