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Von der »Algarve« zur Westküste Portugals

Wenn der Drahtesel an seine Grenzen kommt…

Wir fahren ja bekanntlich sehr gerne mit dem Fahrrad, wenn sich eine Gelegenheit dazu bietet. Diesmal jedoch kommen wir an unsere Grenzen. Aber alles der Reihe nach. Wir haben einen schönen, ruhigen Platz auf einem Land-Campingplatz gefunden. Dank einer kleinen Wanderkarte vom Campingplatz nehmen wir von dort aus gleich einen Wanderweg, mitten durch Olivenplantagen, der uns ein paar Kilometer ins nächstgelegene Dorf und wieder zurückführt. Der Boden ist hart und trocken. Das ist gut, denn eine ausgewiesene Radtour, die wir für den kommenden Tag geplant haben, führt ebenso durch diese unbefestigten Straßen. Zur Freude der Einheimischen regnet es an diesem Abend und in der Nacht kräftig. Wir lassen uns nicht beirren und starten am späten Vormittag mit gut gefüllten Packtaschen unsere Radrunde. Ein großer Fehler, wie sich schnell herausstellt. Anfangs kommen wir noch ganz gut voran, doch irgendwann mitten in den Weiten der Olivenbäume geht nichts mehr. Die trockene Erde vom Vortag hat sich über Nacht in eine zementartige Masse verwandelt. Das haben wir noch nie gesehen. Die Reifen bewegen sich weder vor noch zurück. Da hilft eigentlich nur noch Tragen. Aber viel zu weit. Wir finden in unserem Notfall-Reparaturset ein paar Reifenheber, mithilfe derer wir den zähen, klebrigen Schlamm notdürftig aus den Schutzblechen herauskratzen. Nach einiger Zeit drehen sich die Laufräder wieder halbwegs. Immerhin. Fotos machen wir in diesem Moment keine – die Stimmung ist auf einer Skala von eins bis zehn eher auf sehr niedrigem Niveau. Zum Glück gibt es ein paar hundert Meter weiter vorne einen Grünstreifen am Rande des Weges. Darauf lassen sich unsere Bikes ganz gut schieben und nach ein, zwei Kilometern treffen wir tatsächlich wieder auf eine asphaltierte Straße. Geschafft! Ganz in der Nähe gibt es eine Tankstelle mit Waschkabinen. Die zwei Euro werden wahrlich gut investiert.

»El Rocio«

Unsere vorerst letzte Station in Spanien steht an: »El Rocio«. Es ist ein kleiner Ort direkt am Nationalpark »Coto de Doñana« in der Provinz Huelva. Bekannt ist »El Rocio« über die Grenzen Spaniens hinaus als Wallfahrtsort, in dem die Heilige Jungfrau verehrt wird. Sie wird auch »Blanca Paloma« (weiße Taube) genannt. Zu Pfingsten kommen über eine Million Pilger in den kleinen Ort, der den Rest des Jahres nur ca. 800 Einwohner zählt. Das wollen wir uns natürlich aus der Nähe ansehen. Vom nahegelegenen Campingplatz machen wir uns wieder mal mit dem Fahrrad auf den Weg ins Ortsinnere, um dort ein paar Lebensmittel zu kaufen. Schnell stellen wir fest, dass das nicht funktioniert. Es gibt keine befestigten Straßen – nur Mehlsandpisten. Hast Du schon mal versucht im tiefen Mehlsand mit dem Fahrrad zu fahren? Viel Spaß dabei! Also dann zu Fuß. Es ist ein absolut sonderbares Dorf. Die Wege und Straßen wirken, als wären sie geometrisch auf dem Reißbrett entworfen. Überall prächtige Gebäude, die alle einen wohlklingenden Namen haben und mit ihren Glockentürmen an Kapellen oder Kirchen erinnern. Sie gehören, so lesen wir später, den über 100 Bruderschaften, die aus ganz Spanien zu Pfingsten anreisen. Die restliche Zeit des Jahres stehen sie leer. Das erklärt, warum kaum eine Menschenseele unterwegs ist. Gespenstisch. Da und dort gibt es eine Bar, ein Restaurant, ein paar Souvenirläden und einen kleinen Gemischtwarenladen. Schließlich erreichen wir das Zentrum, die Kirche »Ermita del Rocio«. Ein beeindruckendes Gebäude. Wir genehmigen uns ein Bier in einer Bar und schmunzeln, als wir die Einheimischen betrachten. Sie haben entweder geländegängige Fahrzeuge oder sie reiten ganz entspannt auf einem Pferd über die staubigen Pisten. Ich will auch ein Pferd! Einen weiteren Tag wollen wir nutzen, um den Naturpark zu Fuß zu erkunden. Leider ist der Park nicht für individuelle Wanderungen erschlossen und so bleiben wir außerhalb des umzäunten Geländes. Flamingos, wilde Pferde und viele Wasservögel sehen wir trotzdem. Stattdessen entschließen wir uns spontan, zum Atlantischen Ozean zu radeln. Gesagt, getan. Nach schnurgeraden 15 Kilometern an der Straße entlang erreichen wir unser Ziel. Gigantisch!

»Albufeira« in Portugal

Nach eineinhalb Stunden Fahrzeit überschreiten wir mühelos die nächste Ländergrenze und erreichen unser achtes Reiseland auf der Sabbatjahr-Tour: Portugal! Wir sind beide sehr dankbar, dass man sich innerhalb der EU so sicher und problemlos bewegen kann. Das war ja bekanntlich nicht immer so. Oder in anderen Worten: wir fühlen uns auch hier schnell zu Hause. Während der Fahrt gibt es noch ein kurzes Update aus dem Reiseführer über die Besonderheiten des Landes: Land und Leute, Kultur, Flora, Fauna, Essgewohnheiten, Landschaft und Sehenswürdigkeiten. Wir quartieren uns für drei Nächte auf einem mehr oder weniger privaten Campingplatz ein. Es gibt nur ein gutes Dutzend Stellplätze, die allesamt mit Dauercampern aus Frankreich belegt sind. Wir sind in der Nähe der Stadt »Albufeira« an der »Algarve«. Die Stadt kann auf eine lange und ereignisreiche Geschichte zurückblicken, jedoch ist vom alten Glanz kaum noch etwas übrig. Es gab Eroberungen, Plünderungen und Brände, die der Stadt zusetzten. Der Rest wurde von Erdbeben und einem Tsunami zerstört. Die heutige Stadt mit mehr als 200 000 Einwohnern zieht sich über ein großes, hügeliges Areal entlang der Küste. Als wir mit dem Fahrrad mitten durch Richtung Strand fahren, bietet sich uns ein eher seelenloser Anblick. Überall riesige Ferien- und Hotelanlagen, die meist noch leer stehen, Vergnügungs- und Sportparks, Fastfood-Ketten und eine Stierkampfarena für Touristen. Als wir dann allerdings den Strand erreichen, staunen wir nicht schlecht. Eine atemberaubende Kulisse. Tiefblauer Himmel mit weißen Quellwölkchen, dunkelblauer, weiß schäumender Ozean, Wellenreiter/innen auf ihren Boards, kilometerlanger heller Sandstrand und im Kontrast dazu bizarre, ausgewaschene Sandsteinfelsen in allen erdenklichen Erdtönen von cremeweiß bis rostbraun. Dazwischen blühen an den Hängen bereits Gewächse in vielen Farben. Thymian, wilder Lavendel, Ginster und Buschwindröschen. Wir können uns von diesem Farbenspiel gar nicht sattsehen. Wir liegen ein wenig in der Sonne und machen dann noch einen ausgedehnten Spaziergang am Strand entlang und dann über den Höhenrücken wieder zurück. Auf dem Rückweg erkunden wir noch das sehenswerte heutige Zentrum der Stadt mit ihren kleinen Gässchen, Läden, den Boutiquen und Cafés.

Am Stausee bei »Ourique«

Unsere Reise ist voller Kontraste. Eben noch in einer Touristenmetropole, sind wir am nächsten Tag bereits irgendwo im Hinterland wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Es ist ein kommunaler Campingplatz am Stausee in der Nähe von »Ourique«. Offensichtlich hat man bei der Errichtung vor ein paar Jahren mit sehr vielen Besuchern gerechnet. Alles ist weitflächig und die Infrastruktur ist gut ausgebaut. Als wir dort sind, ist allerdings kaum was los. Am zweiten Tag sind wir sogar ganz alleine. Das gab es auch noch nie. Also herrliche Ruhe! Grandios! Wir wandern ein Teilstück um den riesigen Stausee und suchen uns abends ein sonniges Plätzchen auf einem Hügel, wo wir den Sonnenuntergang genießen. Am nächsten Tag unternehmen wir eine längere Radrundtour und kehren in einem kleinen Restaurant ein. Hier gibt es außer uns nur Einheimische. Auch eine Seltenheit. Besonders gut schmecken uns die »Batatas«, die Pommes. Die gibt´s in unsere Campingküche ja nie.

Von Korkeichen und Klapperstörchen

Im Süden Portugals liegt das größte Korkeichenwaldgebiet der Welt, mit einer großen Vielfalt an Tieren und Pflanzen. Diese immergrünen Laubbäume können im Laufe ihres Lebens 100 bis 200kg Kork liefern. Alle neun Jahre wird dabei die Rinde der Korkeiche von Spezialisten mit einer Axt abgeschält und die Stämme werden anschließend entsprechend markiert. Wir staunen immer wieder, als wir links und rechts des Weges solche Exemplare mit ihren Beschriftungen sehen. Überhaupt sind Korkprodukte aller Art in Portugal sehr beliebt und auch ein gewisses Alleinstellungsmerkmal. Da bekommt der klassische Weinkorken, den wir abends in der Hand halten, gleich eine tiefere Bedeutung.

Als wir so wandern und radeln bekommen wir schnell auch einen Eindruck von der besagten Artenvielfalt. Wir sehen Vögel mit bunten Federn, die bei uns nicht heimisch sind, und ein wahrer Herzenswärmer sind die vielen Störche. Sie nisten überall auf Telefon- oder Starkstrommasten, auf Palmen, Bäumen oder hohen Felsvorsprüngen an der Küste. Man sieht sie hoch oben in der Luft ihre Kreise ziehen oder auf dem Feld nach Futter suchen. Und tatsächlich: sie klappern – und zwar ziemlich lautstark. Ein Ohrenschmaus! Leider sind die anmutigen Tiere sehr scheu und es gelingt uns kaum, sie aus der unmittelbaren Nähe zu fotografieren.

An der Westküste Portugals bei »Zambujeira«

Wir verlassen das Landesinnere und fahren wieder hinaus ans Meer. Diesmal an die Atlantikküste im Südwesten des Landes. Der Campingplatz liegt bei einem Ort namens »Zambujeira«. Wir sind hier nicht einzigen, doch wir finden ein ruhiges Eck und ansonsten hat die Anlage alle Annehmlichkeiten, die man sich wünscht. Hier bleiben wir ein paar Tage. Bis zur Küste ist es nur ein Kilometer, den wir gemütlich mit dem Fahrrad zurücklegen können. Schnell erfahren wir auch, warum dieser Ort so beliebt ist. Er liegt unmittelbar an der Pilgerroute »Rota Vicentina«. Dieser große Wanderweg, der insgesamt ca. 400km an einer der schönsten Küsten Europas entlangführt besticht durch die Vielseitigkeit der Landschaften. Wir genehmigen uns zwei reine Wandertage mit einer Tagesstrecke von etwas mehr als 20km. Einmal nach Süden, einmal nach Norden und wieder zurück. Der Weg ist atemberaubend schön und für alle Pilger und Weitwanderer und unbedingtes MUSS! Überdies bestens beschildert. Es geht entlang des Atlantischen Ozeans, über sandige Wege und durch schroffe Klippen. Links und rechts Felder voller blühender Wildblumen. Wir durchstreifen Wälder, steigen über steile Treppen hinab und wieder hinauf und können uns an den Farben und Lichtspielen nicht sattsehen. Im Hintergrund das stetige Rauschen des Ozeans. Wir bewegen uns am äußersten Rand Europas und der Gedanke, dass der Ozean seit Jahrmillionen hier unaufhörlich heranbraust und die Klippen formt, macht uns nachdenklich. Es gibt keinen besseren Ort, um über Gott und die Welt zu philosophieren. Wir haben so etwas noch nie erlebt. Das hat echtes Suchtpotential. Unterwegs begegnen wir kaum Menschen. Ab und zu ein paar Wanderer, meist junge Leute, die voll bepackt auf ihren Etappen unterwegs sind. Ach wie schön!

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Kommentare: 2
  • #1

    Karin (Freitag, 11 März 2022 20:37)

    Schön wieder von euch zu hören. Hob schon gewartet ��. Danke!!!

  • #2

    Kletzlfranz (Sonntag, 13 März 2022 08:12)

    Genießt weiterhin die schönen Augenblicke des Daseins. Und wieder ein großes Vergelts Gott dafür, dass ihr uns „mitnehmt“ zu euren Abenteuern.
    Gute Zeit