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An der Costa Blanca nach Südspanien

Bergwandern im Hinterland der Provinz »Alicante«

Nach mehreren Tagen an der spanischen Mittelmeerküste fahren wir weiter südlich und ein Stück landeinwärts in das 300-Seelen Bergdorf »Campell«. Dort gibt es einen kleinen, aber feinen Campingplatz für Leute, die ein wenig Erholung in der Natur suchen. Für uns klingt das nach dem geschäftigen Treiben in den Großstädten sehr verlockend. Der Besitzer ist uns auf den ersten Blick sehr sympathisch und erzählt uns, er habe einst Philosophie studiert. Wir nennen ihn von nun an »Campingphilosoph«. Von ihm erhalten wir zwei ausgedruckte Seiten mit detaillierten Angaben zu Wanderrouten in der Gegend. Und genau das ist das Programm für die nächsten beiden Tage: Bergwandern! Zuhause sind wir gewohnt, dass es schöne und auch gut ausgeschilderte Wanderwege gibt. Auf unserer bisherigen Sabbatjahr-Reise mit dem VW-Bus war das jedoch die große Ausnahme. Umso mehr freuen wir uns über zwei grandiose Wandertouren durch die umliegende Region. Eine kleinere Nachmittags-Rundtour führt uns über Olivenhaine, blühende Mandelgärten, Orangen- und Zitronenplantagen und vorbei an sehenswerten Trinkwasserquellen. Am nächsten Morgen erklimmen wir den nächstgelegenen Berggipfel, wandern mehrere Kilometer über einen Höhenrücken mit herrlicher Aussicht auf die benachbarten Täler und staunen über die mediterrane Vegetation. Statt den heimischen Latschenkiefern wachsen hier hoch droben kleine Zwergpalmen, die es bei uns als Topfpflanzen gibt. Überall wilder Rosmarin und gelb blühender Ginster. Herrlich! Sogar ein »Schwalbenschwanz« (Schmetterling) tanzt an uns vorbei. Fotografieren lässt er sich allerdings nicht. Nach mehreren Stunden Fußmarsch über einen Rundweg erreichen wir schließlich wieder unser Camp. Ausgepowert aber einfach zufrieden! Abends wollen wir uns in der kleinen Dorfbar noch einen Drink genehmigen, doch Hoppla: alles bis auf den letzten Platz voller Engländer und Holländer. Na dann eben nicht. Noch eine kleine Anekdote am Rande: eine Katze nimmt Kontakt mit uns auf und weicht rund um den VW-Bus nicht von unserer Seite. Gefüttert wird sie von uns allerdings nicht. Wir sitzen gerade beim Essen, als sie plötzlich auftaucht – das Maul voller Laub – ein seltsamer Anblick. Schnell stellt sich heraus, dass sich zwischen den Blättern noch etwas bewegt. Ui, Eine Eidechse! Wenn sie von uns schon nichts bekommt, verspeist sie halt neben uns genüsslich ihre eigene Beute.

Mandelblüte und Zitrusfrüchte

Bevor es weitergeht müssen wir allerdings noch etwas erledigen. Wir haben am Vortag ein Sitzkissen bei einem spanischen Bistro liegen lassen und wollen schauen, ob es noch da ist. Das Lokal hat leider noch zu. Wir läuten und die spanische Bedienung, mit der wir uns bereits gestern notdürftig in Englisch verständigt haben, öffnet. Wir versuchen zu erklären, was wir suchen und nach einigem Hin- und Her stellt sich heraus: die nette junge Dame ist eine Deutsche. Unser Sitzkissen bleibt trotzdem verschollen.

Es geht weiter Richtung Süden. Wir lassen den Felsen von »Calp« links liegen und passieren die Urlaubshochburg »Benidorm«, wegen den vielen Wolkenkratzern auch »Manhattan des Mittelmeeres« genannt. Die ganze Gegend ist berühmt für ihre Mandelgärten und wir haben Glück: genau jetzt ist die Blütezeit! Überall blühende Bäume in zartem Rosa. Ein faszinierender und überwältigender Anblick, der sich kaum mit dem Handy festhalten lässt. Zudem kommen wir täglich an Zitronen- und Orangenplantagen vorbei. Die reifen Früchte hängen Gelb und Orange leuchtend an den Bäumen und man bräuchte nur eine Hand ausstrecken, um sie zu pflücken. Wie es der Zufall will, folgen wir mit dem Fahrrad eine Zeit lang einem LKW, der mit frisch geernteten Zitronen beladen ist. Ein herrliches Erlebnis, sich mal in einer Zitrus-Duftwolke zu bewegen.

Familienanschluss in »La Carmela«

Über unsere bewährte Camping App finden wir einen Bauernhof für Camper: »La Carmela«! Die Anlage wird vom spanisch-holländischen Pärchen Hortensia und Sjaak gerade liebevoll für Campinggäste ausgebaut. Die ehemalige Ziegenfarm bietet viel Platz und liegt sehr idyllisch im Hinterland zwischen Gemüse- und Orangenplantagen. Zwei große, freundliche Hofhunde bewachen das Areal und schauen immer wieder mal schwanzwedelnd vorbei, was wir gerade so machen. Wir sind die einzigen Gäste und die Inhaber bieten uns gleich ein Begrüßungsbier und Häppchen an. Für Gäste, die das wünschen, wird abends auch gekocht. Das nehmen wir gerne in Anspruch. Hortensia kocht uns ein hervorragendes viergängiges Menü. Am nächsten Morgen bringt uns Sjaak einen Krug voll frischgepressten Orangensaft und später bekommen wir eine Spezialität aus Murcia: eine mit Fleisch und Eiern gefüllte Teigtasche. Mhm! Wir verstehen uns auf Anhieb gut und verständigen uns mit einer Mischung aus Deutsch, Holländisch, Englisch und Spanisch – Herrlich! Tagsüber unternehmen wir eine Wanderung in die umliegende, karstige Hügellandschaft. Da kommen wir zum ersten Mal in diesem Jahr ein wenig ins Schwitzen, denn das Thermometer steigt auf über 25 Grad. Abends sitzen wir zu viert zusammen in der Gartenlaube, genießen spanischen Rotwein und plaudern ungezwungen miteinander. Als wir uns so über verschiedene Reiserouten und Ziele unterhalten hat Sjaak noch eine spektakuläre Geschichte parat. Er war früher LKW-Fahrer und wurde tatsächlich vor einigen Jahren auf einer Tour in Nordfrankreich überfallen und ausgeraubt. Eine Ladung voll bestem schottischen Whiskey. Er selber wurde mit Feuerwaffen bedroht, in einen Kofferraum gesperrt und dann Stunden später irgendwo ohne Kleidung im Nirgendwo ausgesetzt. Der LKW wurde komplett abgefackelt. Unglaublich! Irgendwann wird dann die Gitarre geholt und gemeinsam gesungen und musiziert. Ob bairisch, englisch, spanisch – ganz egal – wir genießen diesen besonderen Moment.

Im »Naturpark Cabo de Gata«

Als wir uns auf der Autobahn unserem nächsten Ziel nähern, sehen wir überall weiße, glitzernde Flächen, die riesigen Schneefeldern ähneln. Der Reiseführer klärt uns auf: es sind Gewächshäuser für den Gemüseanbau. Ganz treffend wird die Gegend auch als »Plastikmeer« bezeichnet. Wir lieben ja die Abwechslung und größer könnte der Kontrast kaum sein. Eben waren wir noch in einem mehr oder weniger privaten Garten, jetzt stehen wir in einer riesigen Campingsiedlung in der Provinz »Almeria«, umgeben von lauter Wohnmobilen in Reih und Glied. Jedes in einer abgegrenzten Parzelle. Nachdem eigentlich fast alle weiß sind, nennen wir sie gerne auch »Weiße Riesen«. Unsere »Nachbarn«, meist Ehepaare im Ruhestand, oft mit Hund, sind jedoch sehr freundlich.

Für alle, die gerne mal nach Spanien wollen: hier muss man nicht unbedingt hin. Die Gegend ist ausgesprochen hässlich und wir fragen uns, wieso so viele Camper unterwegs sind. Das Meer ist nicht in unmittelbarer Nähe und überall rundherum gibt es staubige Wege und verwilderte, zugemüllte Brachflächen. Viele Gebäude sind lieblos in die Landschaft hineinbetoniert worden und auch in desolatem Zustand. Dazu ganze Siedlungen von Funktionsbauten für die Touristen.

Vielleicht zieht ja der »Naturpark Cabo de Gata« die vielen Menschen an. Dieses Biosphärenreservat mit den imposanten Steilhängen, kleinen Buchten und unbebauten Stränden wird überall beworben. Wir wollen uns selber ein Bild machen und den Park mit dem Fahrrad erkunden. Es geht zunächst ein paar Kilometer am Strand entlang, vorbei an Salzseen, in denen wir Flamingos beobachten können. Unser erster Stopp ist beim Leuchtturm, von dem aus man die gesamte Küstenregion überblicken kann. Nun wird es richtig steil und steinig. Es geht über eine unbefestigte Passstraße nach oben. Das wäre eigentlich das Terrain für Mountainbikes, aber wir kriegen es hin. Die Mühe hat sich gelohnt, denn nun bietet sich ein herrlicher Ausblick. Der ganze Naturpark mit Sanddünen, herrlichen Buchten und zerklüfteten Felsformationen hat einen wilden Charme. Überall blühende Pflanzen. Das Einzige, was uns richtig zusetzt, ist ein äußerst strammer Gegenwind. Auf dem Rückweg über die Straße haben wir dann irgendwann den Wind im Rücken und lassen uns gemütlich nach Hause wehen.

»Fort Bravo«

Wir nähern uns der Sierra Nevada. Am Horizont sehen wir bereits die schneebedeckten Berge. Auf den nächsten Stopp freuen wir uns schon. Die Westernstadt »Fort Bravo« in der Nähe von »Tabernas«. Die Gegend ist berühmt als Location von Spaghetti-Western, allen voran die Klassiker von Sergio Leone. Auch Michael (Bully) Herbig drehte hier den »Schuh des Manitu«. Da werden gleich Erinnerungen wach. Wir erreichen das Westerndorf über staubige Pisten und kommen gerade pünktlich zu einer Show. Die Cowboys und Saloongirls geben alles. Am Schluss sind alle tot. Das ganze Areal mit dem Fort, den Stores, Stables und Shops ist ein wenig in die Jahre gekommen, hat aber trotzdem eine absolut kultige Ausstrahlung. Wir fühlen uns dort pudelwohl, wie muss es erst für Westernfans sein?

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Kommentare: 3
  • #1

    Ursi Riedl (Montag, 21 Februar 2022 19:14)

    Wowww- so lebendig erzählt, dass man das Gefühl hat, man sitzt als blinder Passagier in eurem roten „Zwerg“!
    Eure Berichte sind so angenehm zu lesen, nicht zu lang und doch so viel Infos drin! Tut gut- in diesen stürmischen Zeiten!
    Freu mich schon auf die nächsten Geschichten! Liebe Grüße und Bussi

  • #2

    Beate Dieplinger (Freitag, 25 Februar 2022 10:44)

    Hallo ihr Zwei,
    gerne verfolge ich eure Reise indem ich die Berichte lese und die wunderbaren Bilder anschaue. Manche Fotos sind wie für mich gemacht und ich kann richtig eintauchen in die malerische Umgebung und mir vorstellen, ich sei dort.
    Danke euch für s Mit - Teilen und Teil - Haben lassen.

  • #3

    Kletzlfranz (Samstag, 26 Februar 2022 09:32)

    Eure Eindrücke liefern unserem Kopfkino jedesmal „Futter“. Beim Schuh des Manitou kommen uns sofort viele schöne Momente in Erinnerung. Passt mal auf, vielleicht seht ihr dann auch einen „Schnuppen-Stern“.
    Liebe Grüße aus der Heimat